Wiener Musical-Theater mit Dach aus patinierendem nichtrostendem Stahl

Auf dem Spielplan von Österreichs bedeutendster Musical-Bühne steht derzeit Miss Saigon. Nach zweijähriger Sanierung wurde das traditionsreiche Raimund-Theater der Vereinigten Bühnen Wien (VBW) im Frühsommer 2021 wiedereröffnet. Darsteller und Besucher erfreuen sich seither funktioneller und bühnentechnischer Neuerungen.

Architektonisch sollte, so die Vorgabe, allerdings der Zustand gewahrt bleiben, den der Architekt k. k. Baurat Franz Roth dem 1893 eröffneten Haus verliehen hatte. Der Wiener Architekt Dipl.-Ing. Roman Mramor hatte im Realisierungswettbewerb mit seinem Konzept überzeugt, das Haus dem heutigen Stand anzupassen und es gleichzeitig vollständig als Bestandteil des Wiener Architekturerbes zu erhalten.

Am augenfälligsten sind die Renovierung des Publikumsbereichs und die Neugestaltung des Platzes vor dem Theater. Neben einer Modernisierung der haustechnischen Anlagen ging es aber auch um substanzerhaltende Maßnahmen. Wesentlicher Bestandteil war dabei die Erneuerung der in die Jahre gekommenen metallenen Dacheindeckung. Zunehmende Undichtigkeiten hatten begonnen, die Unterkonstruktion zu schädigen. So stellte sich die Frage nach geeignetem Baumaterial.

Auch nach erfolgreicher Sanierung ist Restfeuchte im Baukörper, die auf der Rückseite des Blechs kondensiert, nicht vollständig auszuschließen. Um auf der sicheren Seite zu liegen, schrieb der Architekt nichtrostenden Stahl aus, dem selbst dauerhafte Feuchtigkeit nichts anhaben kann.

Bei der Oberfläche fiel die Wahl auf verzinntes Blech, bekannt als Uginox Patina. Dessen Zinnüberzug dient nicht etwa dem Korrosionsschutz, denn bereits der nichtrostende Grundwerkstoff ist durch und durch korrosionsbeständig. Vielmehr geht es um seine Fähigkeit, dekorativ zu altern. Während das Bedachungsblech im Ausgangszustand einen einheitlichen matten Schimmer aufweist, entwickelt es im Laufe der Zeit eine dekorative, stumpfe und leicht unregelmäßige Patina. Sie erinnert damit an die klassischen Metalldächer, die sich im 19. Jahrhundert vielerorts in Europa – vor allem in den Hauptstädten – zu einem stilprägenden Merkmal entwickelten.

Auch bauökologisch verbucht der Werkstoff Pluspunkte für sich. Nicht nur der nichtrostende Stahl selbst ist inert, auch der Zinnüberzug ist für das Regen-Ablaufwasser unbedenklich. Vergleichbare Zinn-Deckschichten finden sich auch auf der Innenseite von Lebensmittelkonserven aus Stahlblech oder Kochgeschirren aus Kupfer, wo sie in direktem Kontakt mit Lebensmitteln stehen. Dem qualitätswahrenden Recycling stehen sie nicht im Wege.

Praktische Erfahrungen gibt es mit verzinnten nichtrostenden Bedachungsblechen bereits seit Jahrzehnten, nicht nur bei der Dacheindeckung selbst, sondern auch bei Regenrinnen, Fallrohren und Dachzubehör.

Als Grundwerkstoff dient die Aperam-Sorte K41, gemäß Euronorm als 1.4509 bezeichnet. Er enthält etwa 18 % Chrom, zusätzlich ist er durch Legierungszusätze von Niob und Titan doppelt stabilisiert. Was das bedeutet, erläutert Martin Michlmayr, im Bauwesen-Team von Aperam zuständig für den Vertrieb von Bedachungswerkstoffen. „Bauspengler schätzen diese Sorte wegen ihrer guten Verarbeitungseigenschaften. Sie lässt sich auch unter handwerklichen Bedingungen einfach schneiden und falzen.“ Dazu trägt auch deren geringe Dicke bei: Während sie bei anderen Baumetallen zumeist 0,7 mm beträgt, ist nichtrostendes Bedachungsblech zumeist nur 0,5 mm dick. „Nicht zu vergessen“, fügt Michlmayr hinzu, „die Zinnschicht ist auch ein idealer Untergrund für das Löten, das bei Anschlüssen und in der Dachentwässerung ins Spiel kommt.“

Mehr in FocusRostfrei 23/2021

About the author

Verbunden

Kontaktformular
close slider