Wundenlecken ist angesagt
Nach den fragwürdigen Ereignissen an der London Metal Exchange (LME) ist inzwischen ein Monat vergangen. Der LME-Nickel-Markt wurde nach der zeitweisen Schließung wiedereröffnet und nach anfänglichem Stottern bilden sich im Börsenhandel auch wieder Preise. Seit dem 28. März 2022 gibt es regelmäßige, tägliche Fixings, welche als Preisreferenz für die industriellen Wertschöpfungsketten dienen. Seitdem bewegt sich der Nickel-Preis recht stabil in einem Band zwischen 32.000 US$/t und 34.000 US$/t. Durchaus ein hohes Niveau, aber mit Blick auf den Krieg in der Ukraine und bestehender sowie noch potenziell weiterer Sanktionen gegenüber dem Aggressor Russland vermutlich in Ordnung. So weit, so gut.
Während es für die LME Jahrzehnte brauchte, um Vertrauen in sich selbst und die einzelnen Kontrakte aufzubauen, reichten lediglich eineinhalb Tage, um dieses Vertrauen deutlich aufzubrauchen und grundsätzlich in Frage zu stellen. Und zwar durch die Marktteilnehmer aus der Realwirtschaft ebenso wie aus Finanzwirtschaft und Spekulation. Leider hat die Börse zu spät reagiert, was die Aussetzung des Handels anging und damit das Problem und den Vertrauensverlust eher maximiert. Beinahe sämtliche Stakeholder waren im Panikmodus. Das geschwundene Vertrauen spiegelt sich entsprechend in deutlich niedrigeren, täglichen Handelsvolumina wider.
Bei diesem Vorfall handelte es sich mutmaßlich um ein Funktionsversagen der LME (und deren Clearing House LME Clear). Insofern kann man die bekanntgegebenen, unabhängigen Untersuchungen zu den Geschehnissen durch einen von der LME selbst beauftragten Sachverständigen sowie eine gemeinsame Untersuchung durch die Bank of England und die Financial Conduct Authority (FCA) nur begrüßen. Letztere ist ziemlich einmalig für den Finanzplatz London. Das zeigt, was für die Beteiligten auf dem Spiel steht. Daher geht es vor allem mit Blick in die Zukunft darum, mit welchen Instrumenten und Maßnahmen man solche substanziellen Marktverwerfungen mit Sicherheit ausschließen kann.