Zentralbanken im Spagat zwischen Stimulation und Inflation

Kein leichter Job

Die Frage der weiteren wirtschaftlichen Entwicklung in Europa, USA und China bleibt eine haarige Angelegenheit. Ganz offensichtlich befinden sich die Märkte für Rohstoffe, Devisen und Aktien fest im Griff der Zinsentscheidungen der Notenbanken und besonders auch deren Zeitschiene. Dabei ist der Blick vor allem in die Vereinigten Staaten von Amerika gerichtet, nachdem die Europäische Zentralbank (EZB) bereits eine Zinssenkung um 0,25 % durchgeführt hat. Bei der US-Notenbank Federal Reserve oder kurz Fed wurde man hingegen zunehmend zögerlich, da sich die US-Wirtschaft in der ersten Jahreshälfte ziemlich robust zeigte.

So gehen Marktbeobachter nach wie vor davon aus, dass Zinssenkungen in USA für 2024 vor dem Hintergrund der noch immer guten Konjunktur und des stabilen Arbeitsmarktes, bis auf vielleicht eine Einzige, doch eher unwahrscheinlich sind. Die Gleichung lautet dabei stets, schnellere und deutlichere Zinssenkungen könnten Wirtschaft und Anleger zu entsprechenden Investitionen und höherer Nachfrage beflügeln, was regelmäßig mit höheren Preisen beziehungsweise Kursen einhergeht. Und ebenso würden Zinssenkungen in USA auch eine Abschwächung des US-Dollar gegenüber dem Euro, aber auch den anderen Währungen bedeuten, aufgrund einer Reduzierung des dort im Laufe der Inflationsbekämpfung erreichten, beträchtlichen Zinsniveaus und -abstands.

So musste der Nickel-Kurs an der London Metal Exchange (LME) im schönen Gleichschritt mit dem erneuten Platzen der Zinssenkungserwartung einen ganz erheblichen Teil der Gewinne aus 2024 wieder abgeben. Nach einem Niveau von 21.000 US$/t zur Mitte des Monats Mai ging es steil abwärts. Die Marke von 17.000 US$/t konnte gerade noch verteidigt werden. Das ist ein Rückgang um fast 20 % innerhalb weniger Wochen und verdient damit zu Recht das Prädikat „volatil“. In den letzten Tagen sind die Chancen bezüglich einer Zinssenkung wieder etwas gestiegen. In USA sieht es nun auch dort beim verarbeitenden Gewerbe schwächer aus. Und der Notenbankpräsident Powell äußerte sich zuletzt in einer Art und Weise, die doch noch auf einen sicheren Start des Zinssenkungszyklus in diesem Jahr hindeuten könnte. Aktuell handelt Nickel an der LME wieder etwas fester bei 17.400 US$/t.

Auch in China geht es nicht wirklich voran, wo der krisenhafte Immobilien-Sektor weiterhin keine nennenswert steigende Nachfrage verzeichnen kann. Und zusätzlich scheint sich nach einer Erhebung das Wachstum auch im Dienstleistungssektor deutlich zu verlangsamen. Das Vertrauen des privaten Sektors erreichte im Juni gar ein Vierjahrestief. Leider gibt es aus Europa keine besseren Nachrichten. Daher war der Blick der Analysten hierzulande auf die Zentralbank-Konferenz der EZB im portugiesischen Sintra, knapp 60 Kilometer südwestlich von Lissabon gerichtet. Man versprach sich Signale hinsichtlich der weiteren Zinspolitik der EZB. Doch leider auch hier keine klare Kante oder Richtung. Vielmehr fasste Madame Lagarde die Situation mit folgendem Zitat des Ex-Fußballers Sir Alex Ferguson zusammen: „Manchmal bist Du nicht sicher. Manchmal zweifelst Du. Manchmal musst Du rätseln. Aber manchmal weißt Du es.“ Ob die Notenbankchefin den Märkten damit eine Orientierung gegeben hat, dürfen sich Leserinnen und Leser gerne selbst beantworten.

Insgesamt darf bezweifelt werden, dass das schon Monate andauernde Hin- und Her bezüglich Zinssenkungen nicht wirklich einen Nutzen hat. Hoffnungen auf die Unterstützung der Wirtschaft werden geweckt und dann nach kurzer Zeit wieder zerstört. Das, was die Regierung und Politik hinsichtlich Perspektive nicht hinbekommen, setzen die Zentralbanken quasi eins zu eins fort. Die Notenbanker erscheinen wie paralysiert zwischen schwachen Wirtschaftsdaten auf der einen Seite und demographisch robusten Arbeitsmärkten, bei einer langsam schwindenden Inflation. Man möchte nicht erneut falsch (wie seinerzeit zu spät) reagieren, was die Inflationsbekämpfung anging und heute eine stimulierende Geldpolitik angeht.

Wie aber sollen in einem solchen, intransparenten und unsicheren Umfeld Unternehmer und Investoren wesentliche Entscheidungen treffen? Natürlich nicht. Abwarten ist leider weiterhin das Gebot der Stunde. Insofern also noch mindestens über den Sommer trübe Aussichten für die Nachfrageentwicklung in Industrie und verarbeitendem Gewerbe und daher sind auch keine Höhenflüge bei den Metallpreisen zu erwarten. Hoffen wir, dass sich bald einmal einer der Leiter und Lenker ein Herz fasst und mutig voran geht. Ansonsten heißt es Schwächer für Länger, nicht nur für Dichter und Denker.

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