Erst im letzten Sommer trafen sich Vertreter namhafter deutscher Unternehmen aus dem Bereich Fusionsenergie in Nürnberg und gründeten den Industrieverband Pro-Fusion, darunter Markus Kind, Geschäftsführer der Rolf Kind GmbH. Nach vielen Jahren der Fusionsforschung ist eine kommerzielle Nutzung der Fusion zur Energiegewinnung technologisch offenbar greifbar nahe – sie bietet erhebliche Vorteile für Umwelt, Gesellschaft und Wirtschaft. Und dieses Meinungsbild scheint sich mehr und mehr durchzusetzen: Inzwischen hat sogar das Bundesforschungsministerium im Rahmen des Förderprogramms „Fusion 2040“ einen Betrag von 370 Mio Euro für Initiativprojekte zur Verfügung gestellt. Der Geldsegen soll für Geschwindigkeit sorgen.
Die Rolf Kind GmbH hat sich auf die Herstellung von Schmiedestücken in hochlegierten Edelstählen und korrosionsbeständigen Werkstoffen sowie Nickelbasis- und Titanlegierungen spezialisiert. Aktuell läuft es gut bei Kind – der Betrieb liefert Schmiedeteile unter anderem für die Nuklearindustrie, und zwar in Größenordnungen, die weltweit nur wenige anbieten können. Mit diesen Produkten werden aktuell nicht nur neue Atomkraftwerke in Frankreich und Großbritannien gebaut. Rolf Kind kombiniert ein flexibles Fertigungsmanagement mit der Präzision einer internen Weiterverarbeitung. Als reiner Hersteller von Spezialteilen sind die Produkte in der globalen Wirtschaft gefragt wie nie. Von Deutschland aus exportiert das Unternehmen bis zu 80 % der maßgeschneiderten Schmiedestücke in die ganze Welt.
Das Rolf Kind-Geschäft dreht sich immer wieder um eine der drängendsten globalen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts: Die Energiefrage. Angesichts der begrenzten Ressourcen fossiler Brennstoffe und der drastischen Auswirkungen ihres Verbrauchs auf die Umwelt suchen Wissenschaftler und Ingenieure weltweit nach alternativen Energiequellen. Für Markus Kind ist – und das betont er gern – eine der vielversprechendsten und faszinierendsten Visionen die Kernfusion: „Die Sonne ist ein natürliches Kernfusionskraftwerk und zeigt uns das Potenzial dieser Energiequelle. Ihr Inneres besteht hauptsächlich aus heißem Plasma, einem Zustand, in dem Atome ionisiert sind und Elektronen frei herumfliegen. In diesem extremen Umfeld fusionieren Wasserstoffatome zu Helium und setzen dabei enorme Mengen an Energie frei. Die Herausforderung für die Wissenschaft besteht darin, die Bedingungen der Sonne auf der Erde zu reproduzieren. Dafür müssen wir das Plasma auf Temperaturen von vielen Millionen Grad Celsius erhitzen und gleichzeitig in einem Magnetfeld einschließen, um es von den Wänden des Reaktors fernzuhalten. Weltweit gibt es viel mehr Projekte, die der Kernfusion näher sind als gemeinhin angenommen, und genau hier kommen wir ins Spiel, denn ohne unsere Schmiedeteile geht das nicht.“
Bundesforschungsministerium: „Den Weg zum Fusionskraftwerk schnellst möglich ebnen.“
Das sieht auch Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger nicht anders: „Die Energiekrise hat uns vor Augen geführt, wie wichtig eine saubere, verlässliche und bezahlbare Energieversorgung ist. Und Fusion ist dabei die riesige Chance, all unsere Energieprobleme zu lösen. Deutschland bietet durch seine exzellente Forschungslandschaft und seine starke Industrie hervorragende Voraussetzungen für den Bau von Fusionskraftwerken. Hier setzen wir mit unserem neuen Förderprogramm ‚Fusion 2040 – Forschung auf dem Weg zum Fusionskraftwerk‘ an und wollen so den Weg zum ersten Fusionskraftwerk in Deutschland ebnen. Wir wollen ein Fusionsökosystem aus Industrie, Start-ups und Wissenschaft aufbauen, damit ein Fusionskraftwerk in Deutschland schnellstmöglich Wirklichkeit wird. Das Fusionsökosystem soll vorhandene Stärken Deutschlands bündeln und Synergien zwischen unterschiedlichen Akteuren schaffen. Das weltweite Rennen läuft. Ich möchte, dass wir in Deutschland unter den Ersten sind, die ein Fusionskraftwerk bauen. Diese riesige Chance dürfen wir nicht verpassen, gerade mit Blick auf Wachstum und Wohlstand.“
In den letzten Jahrzehnten haben Wissenschaftler enorme Fortschritte bei der Beherrschung der Fusionstechnologie gemacht. Tokamak-Reaktoren wie ITER, ein internationales Projekt in Südfrankreich, sollen in den kommenden Jahren den Weg für die erste kontrollierte thermonukleare Fusion ebnen. Zwar bleiben viele technische und wissenschaftliche Herausforderungen zu bewältigen, insbesondere im Hinblick auf Materialwissenschaft und Handhabung des erzeugten Tritiums, das als Brennstoff für die Fusion dient, doch es geht voran.
ITER ist eines der größten und bedeutendsten Projekte im Bereich der Kernfusion. Es ist ein internationales Kooperationsprojekt, das von der Europäischen Union, den Vereinigten Staaten, Russland, China, Japan, Indien und Südkorea finanziert wird. Ziel von ITER ist, einen Fusionsreaktor zu bauen, der die Bedingungen für eine kontrollierte thermonukleare Fusion erzeugt und demonstriert. Der Reaktor wird in Cadarache in Frankreich gebaut. Darüber hinaus gibt es allerdings eine Reihe weiterer vielversprechender Projekte.
„Diese Projekte und Initiativen repräsentieren nur einen Teil der weltweiten Bemühungen zur Entwicklung der Kernfusion. Sie alle tragen dazu bei, das Verständnis der Fusionstechnologie zu vertiefen und den Weg für eine mögliche kommerzielle Nutzung zu ebnen“, erklärt Kind und ergänzt, „wenn die Kernfusion erfolgreich entwickelt wird, könnte sie eine Reihe von Vorteilen bieten. Sie wäre nahezu unbegrenzt verfügbar, da die zur Fusion benötigten Brennstoffe wie Wasserstoff in großen Mengen vorhanden sind. Sie würde keine klimaschädlichen Treibhausgase emittieren und wäre weit sicherer als herkömmliche Kernkraftwerke. Darüber hinaus könnte sie die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen verringern und die Energiesicherheit stärken.“
Die Wissenschaft ist sich unterdessen sicher, dass die Kernfusion das Potenzial hat, eine nachhaltige Energiezukunft zu schaffen, in der saubere und sichere Energiequellen den weltweiten Energiebedarf decken. Obwohl noch viele Herausforderungen zu bewältigen sind und die kommerzielle Nutzung noch in der Ferne liegt, nimmt die Zuversicht mit Blick auf diese transformative Technologie stetig zu. Investitionen in Forschung und Entwicklung der Kernfusion sind Investitionen in eine bessere Zukunft für den Planeten und kommende Generationen. Zwar sind die meisten Kernfusionsprojekte Initiativen von Regierungen oder großen Forschungseinrichtungen, aber es gibt auch einige teils privatfinanzierte Start-ups, die auf dem Gebiet der Kernfusion aktiv sind.